Nudging und die Frage, wie weit der Staat unser Verhalten steuern soll
Wie weit darf der Staat gehen, um individuelles Verhalten zu beeinflussen, wenn es mutmasslich im Sinne der breiten Gesellschaft ist? Dies ist die Gretchenfrage beim Thema Nudging, das zunehmend zum gängigen Politikinstrument wird. Stephanie Bade und Corinne Moser von econcept veranstalteten einen Workshop zum Thema.
Das Nudging bezeichnet ein Bündel von Interventionen mit dem Ziel, beabsichtigte Verhaltensänderungen bei Menschen anzustossen, ohne dabei deren Entscheidungsfreiheit einzugrenzen. Dabei geht es um Änderungen in der Entscheidungsarchitektur und nicht darum, gewisse Verhaltensoptionen auszuschliessen oder stark zu verteuern bzw. zu vergünstigen. Ein Beispiel für einen Nudge ist das Zurverfügungstellen von kleineren Tellern bei einem Lunchbuffet, um Foodwaste zu vermeiden. Immer öfter wenden auch Entscheidungsträger/innen staatlicher oder staatsnaher Stellen Nudging-Strategien an: Was für die einen ein erfolgsversprechender Ansatz ist, um ressourcenschonendes, gesundheitsförderliches oder anderweitig gesellschaftlich erwünschtes Verhalten zu fördern, grenzt für andere an Manipulation.
Im Rahmen der diesjährigen Tagung der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft SEVAL gestalteten Stephanie Bade und Corinne Moser einen Workshop zum Thema Nudging. Ziel des Workshops war es, anhand aktueller Forschungsprojekte einen Einblick in Grundlagen und Anwendung von Nudging zu geben und eine Diskussion zur Wirksamkeit und Akzeptanz von Nudging anzustossen. Das erste Referat von Verena Berger (ZHAW) fokussierte auf die Anwendung von Nudges zur Förderung von gesundem und ressourcenschonendem Verhalten. Das zweite Referat von Stephanie Bade (econcept) fokussierte auf den Einsatz von Nudges im Rahmen der Energiepolitik am Beispiel der Stadt Zürich. In der von Corinne Moser (econcept) moderierten gemeinsamen Diskussion kristallisierten sich die folgenden vier Punkte heraus:
- Neben einigen Herausforderungen bietet Nudging die Chance mit kleinen, umsetzbaren und kostengünstigen Massnahmen eine grosse Wirkung zu erzielen. Gerade im Hinblick auf nachhaltigen Konsum oder Gesundheitsverhalten kann Nudging einen positiven Beitrag leisten.
- Das Design eines wirkungsvollen Nudges ist komplex. Es erfordert ein tiefgreifendes Verständnis über Entscheidungsprozesse von Zielgruppen und muss an den jeweiligen Kontext angepasst werden.
- Nudging ergänzt den bestehenden Instrumenten-Mix und kann eingesetzt werden, um die Wirkung anderer Instrumente zu verstärken.
- Der Einbezug von Nudging als mögliches Instrument fördert die Auseinandersetzung mit den Entscheidungsprozessen der Zielgruppen. Dies ist eine wichtige Basis – nicht nur für die Gestaltung von wirkungsvollen Nudges, sondern auch für die Entwicklung anderer Politikinstrumente.
Projekt Nudges als Beitrag zur Erreichung der 2000-Watt-Gesellschaft